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Die Rallye insgesamt... geschrieben am 09.07.2003 um 21:03 Uhr

Die Rallye Berlin Breslau

Die Rallye Berlin Breslau ist eines der letzten großen Abenteuer in Europa, geschaffen für ein paar Individualisten mit Allradantrieb, welche sich mit Freude durch Tagebau, Wald und Sumpf kämpfen. Seit fast zehn Jahren führen die sieben Etappen über Steilhänge im Braunkohletagebau in Senftenberg und durch endlose Wälder des westlichen Polen. Panzerstrassen, dichte Bäume, weitläufige feuchte Wiesen und tiefe Flüsse versuchen es den Fahrzeugen und deren Besatzung möglichst schwer zu machen, das Ziel zu erreichen. "Hier zerbrechen Freundschaften“ wurden wir vor den Anstrengungen der Rallye Berlin-Breslau gewarnt. „Eine Materialvernichtung ohnegleichen“ haben die anderen gesagt. Der Veranstalter spricht von fairem, sportlichem Wettkampf und Teamgeist. Die Realität an der Spitze ist längst eine andere. Obwohl für Amateure geschaffen nutzen inzwischen professionelle Teams diese Strecken um sich und ihr Material zu erproben. Dementsprechend hoch ist der Konkurrenzdruck und der Neid der anderen. Lediglich im hinteren Teil der Veranstaltung hält sich der Gedanke vom Miteinander statt Gegeneinander. Aber hier sind die Löcher auch am tiefsten und die Wege selten mehr als solche zu erkennen. Stunden um Stunden, Kilometer um Kilometer kämpfen sich Mensch und Material durch den Schlamm, durch den Staub und durch das Wasser. Nur selten reicht der Schlaf und die Zeit zum Reparieren bis zum Start am nächsten Morgen.

Mit drei Fahrzeugen der Marke Robur treten wir diese Rallye an. Mit der Gewissheit keinen Sieg erringen zu können, denn die leichten Gelände-LKW sind alle über 20 Jahre alt. Kaum eine Chance gegen die modernsten Geländewägen der Profis. Zwei der 5,5-Tonner starten in der Wertung, ein weiterer fährt den unerlässlichen Service, um zumindest die notwendigsten Reperaturen richten zu können.

Bereits am ersten Tag trennt sich die Spreu vom Weizen. Im Tagebau geht es steil rauf und senkrecht runter. Wie die Lemminge stürzen sich die Fahrzeuge zu Boden. Nur die Bedachten und Geschickten kommen auch auf den Rädern wieder unten an. Unsere LKW halten sich tapfer und stehen im Prolog sogar gut im Mittelfeld der Startaufstellung. Die weiteren Etappen bringen Abwechslung und Spass am Fahren. Neben dunklen Wäldern mit schlammigen Wegen gibt es schnelle harte Pisten und immer wieder waghalsige Wasserdurchfahrten zu meistern. Die Strecken sind zwischen 80 und 240 km lang, meist noch mit zusätzlichen Verbindungsetappen auf Asphalt mit ebenfalls 150 km. So wundert es nicht, wenn die meisten Fahrzeuge erst nach Einbruch der Dunkelheit in den Camps ankommen.

Während bei den Profis sich nun vier Mechaniker je Fahrzeug zu schaffen machen bleibt uns nur selbst an unseren Robur Hand anzulegen, damit sie am nächsten Morgen wieder starten können. So beginnen die Tage meist um sechs Uhr in der Früh und enden nachts um Eins, um dann im Tuckern der Stromgeneratoren einzuschlafen. Wobei auch schon mal morgens um Vier eine Flex zu arbeiten beginnt, wenn im Nachbarteam noch etwas gerichtet werden muss.

Unsere Gefühle dieser Rallye gegenüber sind zwiespältig. Es reizt uns diese geballte Atmosphäre, das pralle Leben um uns herum. Fahren, navigieren, reparieren. Ein Auf und Ab auf der Achterbahn der Empfindungen. Kaum ist Zeit neue Menschen kennenzulernen und doch werden neue Freundschaften geschlossen. Jeder hilft jedem, mit Rat und Tat und draussen auf der Strecke auch mit dem Bergegurt. Aber immer vorausgesetzt, du gehörst nicht zu den besten Zwanzig. Dort gelten andere Regeln. Dort wird keine Rücksicht genommen, nicht auf die Bäume, die vor den mächtigen Stossstangen bersten und nicht auf die Menschen, die aus dem Wege springen müssen. Für Rücksicht ist keine Zeit vorhanden, auch nicht beim Überqueren öffentlicher Straßen.

Trotzdem hat sich der Rallye-Virus in uns festgesetzt. Vielleicht ist es wirklich das letzte große Abenteuer Europas. Trotz aller Schwierigkeiten, Schlafmangel und zahlreichen Defekten ist es verlockend auf wilden Wegen durch Polen zu reisen, sich und sein Geländefahrzeug zu entdecken, zu erproben und die Grenzen zu überschreiten. Abends durch das Ziel „heimzukehren“ ist ein Gefühl sondersgleichen. Selbst der letzte spürt, was er erreicht hat.
Und es zerbrechen keineswegs die Freundschaften. Wer mit Achtung und Respekt an diese Rallye herangeht kann nur gewinnen: Erfahrung, neue Menschen und Vertrauen in seine Leistungen. Und die alten Freundschaften wachsen über sich hinaus.

Wir danken allen unseren Spendern und Sponsoren, auch wenn dies meist nur ein kleiner Tropfen auf den heissen Stein war. Insbesondere möchten wir die Firma Total Fina Elf erwähnen, die uns großzügig mit Schmierstoffen unterstützte, um die betagten aber wendigen kleinen LKW der Marke Robur am Laufen zu halten.
Ein großer Dank geht auch an unseren ehrenamtlichen Service, den Andre und den Andre, die immer wieder für all unsere Sorgen und Nöte ein offenes Ohr und eine heilende Hand hatten.